top of page
Suche
  • AutorenbildBenno Stäheli

Der agile Blödsinn



Agile Vorgehensweisen und agiles Projekt-Management sind der neue Trend in vielen Unternehmen, inzwischen auch in KMU. Sie versprechen schnelle flexible Projekte, die mit hoher Qualität besser den Bedürfnissen der Kunden entsprechen, als das mit den klassischen Vorgehensweisen der Fall war. Aber eignet sich "agil" tatsächlich für jeden Bereich einer Unternehmung?

Ganz klar nein! Das agile Projekt-Management und die damit verbundenen Vorteile haben ihren Ursprung in der Software-Entwicklung. Die Methodik basiert auf einem Manifest, das bereits 2001 veröffentlicht wurde. In der Entwicklung von Software und auch digitalen Prozessen ist eine agile Vorgehensweise durchaus in sehr vielen Fällen mit vielen Vorteilen verbunden. Da ein Projekt zu Beginn nicht vollständig ausgeplant wird, ist eine Anpassung an neue Anforderungen und sich ändernde Rahmen-bedingungen auch während der Projektlaufzeit noch möglich. Eine iterative Vorgehensweise ermöglicht die flexible und rasche Reaktion auf eine neue Ausgangslage. Eine gute Sache.

Doch wo hören die Vorteile auf und beginnt der Blödsinn? Meiner Erfahrung nach wird es mehr als kritisch, wenn Unternehmen nun versuchen, agiles Vorgehen und Projekt-Management unreflektiert über alle Bereiche anzuwenden. Und leider sehe ich das mehr und mehr - vor allem auch in KMU. Eine sinnvolle neue Methodik in der Software-Entwicklung wird nun plötzlich zum vermeintlichen Wundermittel für alles, was mit Projekten zu tun hat. Das kann ins Auge gehen. Nämlich genau dann, wenn Kunden zu Versuchskaninchen werden, ohne davon zu wissen.

Was meine ich damit. Neue Ideen im Marketing oder gewisse Projekte im Verkauf haben eine unmittelbare Auswirkung auf die Kunden. Das gilt für B2C wie auch für B2B. Es stellt sich also die Frage, ob ein agiles Vorgehen mit Beta-Testing, zahlreichen Änderungen im Prozess und vor allem ungewissem Ausgang, in jedem Fall vom Kunden positiv aufgenommen wird. Kann sein, muss nicht. Also ein Risiko. Vor allem im Bereich B2B.

Kommunikation ist der Schlüssel

Der kritische Punkt ist die offene Kommunikation. Und hier kommen sich die verschiedenen Prinzipien in den Weg. Während in Verhandlungen, vor allem B2B, dem Kunden Sicherheit vermittelt werden soll, um ihn so von einem Produkt oder einem Service zu überzeugen, birgt ein agiles Vorgehen immer eine gewisse Unsicherheit. Es lässt sich nie mit absoluter Bestimmtheit sagen, ob am Ende auch genau das rauskommt, was man sich zu Beginn vorgestellt hat. Das liegt eben in der Natur der Sache. Oftmals sind Produkte oder Dienstleistungen noch nicht 100% ausgereift, im agilen Prozess geht man damit aber bewusst bereits in den Markt. Immer unter der Prämisse, das man einen nächsten Schritt testet, um dann die Basis für den übernächsten zu haben. Kann ich meinen Kunden offen sagen, vor allem wenn es um Neukunden geht, dass sie für mich in einer gewissen Situation vor allem Versuchskaninchen sind? Oftmals nicht.

Will man in agilen Projekten Erfolg haben, ist es zwingend, dass sich alle am Projekt beteiligten Parteien auf das Vorgehen verständigen und sich der möglichen Konsequenzen bewusst sind. Insbesondere bei Vertragsgestaltung sind agile Vorgehensweisen kritisch, da oftmals die Offenheit gegenüber laufenden Änderungen im Projekt plötzlich auch einer Vertragsänderung entspricht. Die wenigsten Kunden dürften bereit sein, laufend einen bestehenden Vertrag anzupassen. Im Gegenteil, der agile Prozess kann zu Unmut und im schlimmsten Fall sogar Vertrauensentzug führen. Und das kann niemals das Ziel sein, das ist dann eben Blödsinn.

5 Tipps, wie auch Marketing und Verkauf von agilem Vorgehen profitieren
  1. Organisation vorbereiten: agiles Vorgehen muss von einer Organisation gelernt werden - mit kleinen Projekten beginnen um zu erkennen, für was sich die Methode eignet und wo sie im eigenen Unternehmen an Grenzen stösst

  2. Vorteile nutzen, Fallstricke meiden: Kunden dürfen von Änderungen einer Ausgangslage nie unvorbereitet betroffen und allenfalls am Ende sogar überfordert sein - Kunden wollen Sicherheit

  3. Regelmässig Kommunizieren: wenn agil vorgegangen wird, unbedingt alle im Prozess beteiligten Partien involvieren und laufend über den aktuellen Stand informieren - so wird aus einem positiven Flow kein potentieller Frust

  4. Transparenz schaffen: Produkte und Dienstleistungen, die in einer Testphase sind, unbedingt mit "Beta-Version" oder ähnlich auszeichnen - jeder muss sofort erkennen, dass er nicht das finale Produkt verwendet und Teil eines Tests ist

  5. Mut zum Abbruch: Sobald erste Anzeichen bestehen, dass Kunden das agile Vorgehen nicht akzeptieren, den Mut haben abzubrechen und konventionell vorzugehen - nur ein Kunde der sich wohl fühlt, ist ein zufriedener Kunde

110 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page